PAULITSCH LAW NEWSDas Strafrecht in Zeiten einer Pandemie – Welche Strafen drohen bei Verstößen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen?

2020-04-10

Auf einen Blick:

  • Wer gegen die aktuell in Geltung stehenden Schutzmaßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 verstößt riskiert Verwaltungsstrafen von bis zu EUR 3.600 oder EUR 30.000.
  • Nunmehr kann man an Ort und Stelle mit einer Organstrafverfügung gestraft werden.
  • Ein Corona-Infizierter, der jemanden anderen vorsätzlich oder fahrlässig ansteckt, kann von einem Strafgericht wegen (qualifizierter) Körperverletzung verurteilt werden.
  • Doch auch ohne tatsächliche Ansteckung anderer Personen kann die Missachtung der geltenden Verbote durch einen Corona-Infizierten zu gerichtlicher Strafbarkeit führen (vorsätzliche bzw fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten).
  • Coronaparties können für alle Teilnehmer strafrechtliche Folgen haben.
  • Wer gar nicht infiziert ist und andere Leute anhustet, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, riskiert ebenso eine gerichtliche Strafe (wegen gefährlicher Drohung).

Die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus, die seit 16.3.2020 in Kraft sind und seitdem schrittweise verschärft bzw konkretisiert wurden, stoßen in der Bevölkerung wie es scheint auf breite Akzeptanz und Zustimmung. Der beste Beweis ist die mittlerweile eingetretene Verbesserung der Situation im Hinblick auf Neuansteckungen. Es wurde jedoch in den vergangenen Wochen auch von zahlreichen Verstößen und Anzeigen berichtet, die vermuten lassen, dass der „Ernst der Lage“ nicht immer hinreichend erkannt und Rechtsfolgen unterschätzt werden. Doch uneinsichtiges Verhalten (zB öffentliche Menschenansammlungen) kann nicht nur gesundheitliche Folgen haben. Im Zuge der letzten Gesetzesänderungen wurden die Sanktionsmöglichkeiten verschärft. Das haben wir zum Anlass genommen, in diesem Beitrag die möglichen (verwaltungs-)strafrechtlichen Konsequenzen im Zusammenhang mit COVID-19 für Sie zusammenzufassen.

Bereits durch das erste COVID-19 Gesetz (BGBl I Nr 12/2020) sind Verstöße gegen behördliche Maßnahmen, welche auf Grundlage dieses Gesetzes erlassen werden, mit Verwaltungsstrafen bedroht. Die entsprechenden Verordnungen des Gesundheitsministers verbieten einerseits das Betreten gewisser Betriebsstätten bundesweit und schreiben in bestimmten Bereichen das Tragen von Mund- und Nasenschutzmasken vor (BGBl II Nr 96/2020, zuletzt geändert durch BGBl II Nr 151/2020). Das Betreten öffentlicher Orte ist nach wie vor nur zu bestimmten Zwecken erlaubt und auch hier ist zT ein Tragen von Mund- und Nasenschutzmasken verpflichtend vorgesehen (BGBl II Nr 98/2020, zuletzt geändert durch BGBl II Nr 148/2020). Zudem ist grundsätzlich ein Abstand von mindestens einem Meter zu anderen Personen einzuhalten. Wer gegen die Maßnahmen verstößt, muss mit Bußgeldern von bis zu EUR 3.600 rechnen. Wer als Inhaber hingegen das Betreten eines behördlich geschlossenen Betriebes nicht verhindert, kann sogar mit bis zu EUR 30.000 bestraft werden (§ 3 COVID-19-Maßnahmengesetz).

Bei der Vollziehung der COVID-19 Maßnahmengesetze haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (im Wesentlichen die Bundespolizei) mitzuwirken (§ 2a Abs 1 COVID-19-Maßnahmengesetz). Während auch schon bisher zur Durchsetzung der verordneten Maßnahmen polizeiliche Befehls- und Zwangsmittel angewendet werden durften, waren zur Führung der Verwaltungsstrafverfahren allein die Bezirksverwaltungsbehörden als Verwaltungsstrafbehörden zuständig. Wer von der Polizei bei Verstößen auf frischer Tat betreten wurde, hatte also – neben einer allfälligen Wegweisung – „nur“ eine Anzeige zu befürchten. Dies änderte sich nunmehr durch das 3. COVID-19 Gesetz (BGBl I Nr 23/2020), welches am 5.4.2020 in Kraft trat. Art 50 sieht vor, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen und Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens zu setzen haben (§ 2a Abs 1a COVID-19-Maßnahmengesetz). Diese Bestimmung ermächtigt die Beamten uA zu Maßnahmen der Identitätsfeststellung (§ 34b VStG) und gegebenenfalls zur Festnahme (§ 35 VStG). Zudem dürfen Polizisten nun selbstständig Organstrafverfügungen (§ 50 VStG) wegen wahrgenommenem Fehlverhalten ausstellen.

Abgesehen von diesen verwaltungsrechtlichen Sanktionen kommt bei Ansteckung oder Gefährdung anderer Menschen durch die (potentielle) Verbreitung des Corona-Virus auch eine gerichtliche Strafbarkeit in Frage. Dies vor allem in Fällen, in denen ein Corona-Infizierter unter Missachtung der angeordneten Schutzmaßnahmen das Virus weiterverbreitet und dadurch andere an der Gesundheit schädigt. In einem solchen Fall kommt eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung (§§ 83 ff StGB) in Betracht. Für eine Strafbarkeit ist grundsätzlich Vorsatz erforderlich. Dieser liegt bereits vor, wenn der Täter eine Gesundheitsschädigung ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet. Wer (auch ohne getestet worden zu sein) den ernstlichen Verdacht hegt, selbst an COVID-19 erkrankt zu sein, etwa weil er einschlägige Symptome an sich bemerkt und weitere Verdachtsmomente hinzutreten (weil er beispielsweise beruflich im Bereich der medizinischen Versorgung Erkrankter tätig ist), handelt also bereits dann vorsätzlich, wenn er die Ansteckung anderer zwar grundsätzlich nicht will, sie aber als Nebeneffekt des eigenen Verhaltens in Kauf nimmt. Bereits das Grunddelikt ist mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen bedroht. Je nach individuellem Verlauf kommt jedoch auch eine Strafbarkeit wegen schwerer Körperverletzung gem § 84 StGB mit Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wenn die Krankheit den Tod des Angesteckten zur Folge hat, eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 StGB (Strafdrohung von einem bis zu fünfzehn Jahren) in Betracht. 

Doch auch wenn kein Vorsatz nachweisbar ist und ein Corona-Infizierter jemand anderen ansteckt, ist eine (gerichtliche) Strafbarkeit möglich. Dies betrifft zB den Fall, dass trotz eindeutiger Symptome die eigene Erkrankung aus Unachtsamkeit nicht erkannt wird, die vorgeschriebenen Regeln des „social distancing“ missachtet werden und es zur Ansteckung anderer Personen kommt. Die fahrlässige Körperverletzung gem § 88 StBG ist mit Freiheitstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu ahnden. Die fahrlässige Tötung (§ 80 StGB) ist mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bedroht. Bei grob sorgfaltswidrigem Verhalten oder wenn durch das Verhalten sogar mehrere Menschen sterben, können Freiheitsstrafen von bis zu drei bzw fünf Jahren verhängt werden (§ 81 StGB).

Praktische Bedeutung haben in der gegenwärtigen Situation auch die Tatbestände der vorsätzlichen bzw fahrlässigen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten (§§ 178 f StGB). COVID-19 (Sars-CoV-2) ist eine anzeigepflichtige Krankheit nach § 1 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 und daher von den Bestimmungen erfasst. Die Tatbestände gehen als abstrakte Gefährdungsdelikte weiter als die oben beschriebenen Körperverletzungsdelikte, sie sollen die Gesamtbevölkerung vor der Ansteckung mit besonders gefährlichen übertragbaren Krankheiten schützen. Für eine Strafbarkeit muss es nicht zu einer tatsächlichen Ansteckung anderer Menschen kommen. Als Tathandlung kommt bereits ein Verhalten in Frage, das eine abstrakte Gefahr der Verbreitung des Virus begründet. Dies wäre aufgrund der typischen Gefährlichkeit schon dann erfüllt, wenn ein Infizierter beispielsweise gegen die vorgeschriebenen Empfehlungen und Kontaktverbote verstößt, auch wenn keine konkrete Ansteckungsgefahr bestand. Auf Vorsatzebene gilt, dass der Täter nicht einmal mit einer Übertragung der Krankheit rechnen muss, um nach dem Vorsatzdelikt mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bestraft zu werden. Es genügt, dass er die eigene Erkrankung (aufgrund konkreter Anhaltspunkte) für möglich gehalten hat und dennoch eine Handlung setzt, die abstrakt geeignet ist „die Gefahr der Verbreitung des Virus unter Menschen“ herbeizuführen. Bei Fahrlässigkeit (insbesondere dem sorgfaltswidrigen Nicht-Erkennen der eigenen Infektion) kommt § 179 StGB mit einer Strafdrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen zur Anwendung.

Eine „Coronaparty„, die dem Zweck sich gezielt zu infizieren dient, um „Herdenimmunität“ herbeizuführen, kann für alle Teilnehmer strafrechtliche Folgen haben. Für den Infizierten selbst kommt eine Strafbarkeit wegen absichtlich schwerer Körperverletzung uU mit tödlichem Ausgang (§ 87 StGB, Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn bzw fünf bis fünfzehn Jahren) und wegen der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten gem § 178 StGB in Betracht. Aber auch nicht infizierte Teilnehmer können uU nach § 178 StGB bestraft werden, weil auch sie ein Verhalten setzen, das abstrakt geeignet ist, zur epidemieartigen Verbreitung des Virus beizutragen. Eine Rechtfertigung aufgrund von Einwilligung kommt in Bezug auf beide Delikte nicht in Frage. § 178 StGB schützt die Gesamtbevölkerung und nicht den Einzelnen und ist daher einer Einwilligung nicht zugänglich. In eine Körperverletzung kann unter gewissen Voraussetzungen gemäß § 90 Abs 1 StGB wirksam eingewilligt werden; jedoch darf die Schädigung oder Gefährdung als solche nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Die mutwillige Missachtung der Maßnahmen, die der unkontrollierten Ausbreitung des Virus gezielt entgegenwirken sollen, ist wohl sittenwidrig.

Doch auch wer die gegenwärtige Verunsicherung in der Bevölkerung für einen vermeintlichen „Scherz“ ausnützt, wird sich möglicherweise als Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wiederfinden. Wer nämlich vorgibt infiziert zu sein und mit einer Ansteckung (zB durch vorsätzliches Anhusten) droht, in dem Bewusstsein, dass dieses Verhalten geeignet sein könnte, dem Gegenüber begründete Besorgnis um seine Gesundheit einzuflößen, könnte eine gefährliche Drohung (§ 107 StGB) verwirklichen, wenn es ihm gerade darauf ankommt, die andere Person in Furcht und Unruhe zu versetzen. Das Delikt ist mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen bedroht. 

Diese gerichtlichen Strafbarkeiten bestehen unabhängig von behördlich angeordneten Maßnahmen, also auch dann, wenn die Betretungsverbote in naher Zukunft schrittweise gelockert werden. Wer sich krank fühlt sollte daher im Interesse aller und auch im eigenen Interesse zuhause bleiben und weiterhin Kontakte soweit wie möglich vermeiden. Wir beraten Sie gerne im Detail zu Fragen des Strafrechts in Zeiten einer Pandemie und sind per Telefon, E-Mail und Videokonferenz für Sie da.

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