PAULITSCH LAW NEWSFreispruch in allen Anklagepunkten im „Postenschacher“-Prozess gegen Strache und Stieglitz

2022-07-29

Am 29.7.2022 hat die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien den ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache und den mitangeklagten Immobilienunternehmer Siegfried Stieglitz in allen ihnen von der WKStA zur Last gelegten Tatvorwürfen im Zweifel freigesprochen. Nach Ansicht des Erstgerichts sind weder die Delikte der Bestechung und Bestechlichkeit noch andere mögliche einschlägige Delikte, wie insbesondere die Vorteilsannahme bzw -gewährung zur Beeinflussung („Anfüttern“) noch das Delikt der verbotenen Intervention erfüllt.

In der Urteilsbegründung führte das Gericht einleitend aus, dass die Einladungen von Stieglitz an Strache (i) ins Palazzo und zu einer (ii) Dubai-Reise sowie die (iii) tranchenweise FPÖ-Spende iHv EUR 10.000 (Vorteile) jedenfalls unstrittig stattgefunden hätten. Auch bestünde keinerlei Zweifel daran, dass Strache damals in seiner Funktion als Vizekanzler und Sportminister ein Amtsträger war und der „Netzwerker“ Stieglitz ein ständiges Bemühen um den Aufsichtsratsposten in der ASFINAG gezeigt hat.

Für den Freispruch der Angeklagten in allen Anklagepunkten war für das Gericht letztlich aber ausschlaggebend, dass sich aus dem gesamten Beweisverfahren in Zusammenschau mit den Ermittlungsergebnissen der WKStA keinerlei Zusammenhang zwischen den gewährten Vorteilen und dem späteren Tätigwerden von Heinz-Christian Strache – sei es in welcher Form auch immer – mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ergeben habe. Insbesondere hätten die Zeugenaussagen im Beweisverfahren glaubhaft ergeben, dass die damals involvierten Personen keine direkten Wahrnehmungen dazu haben, dass zwischen den in Rede stehenden Vorteilen und der Aufsichtsratsbestellung von Siegfried Stieglitz in die ASFINAG ein Zusammenhang bestünde. In diesem Sinne fehle es an einer konkreten Übereinkunft mit Zweckbindung zwischen Heinz-Christian Strache und Siegfried Stieglitz aus welcher sich die für eine Strafbarkeit notwendige Konnexität zwischen der Vorteilsgewährung/-annahme und des Tätigwerdens des Amtsträgers ergebe. Dies sei nach Ansicht des Gerichts auch aus den Chatnachrichten, die der WKStA vorlagen, ersichtlich. Hierbei folgte das Gericht der Argumentation der Verteidigung, dass die Chatnachrichten das freundschaftliche Verhältnis zwischen Heinz-Christian Strache und Siegfried Stieglitz noch bestärken würden. Ebenso wenig sei nicht zwingendermaßen ableitbar, dass die Vorteile tatsächlich nur gewährt wurden, um Heinz-Christian Strache in seiner Tätigkeit als Amtsträger zu beeinflussen, weshalb auch keine Vorteilsannahme zur Beeinflussung nach § 306 StGB bzw Vorteilszuwendung zur Beeinflussung nach § 307b StGB vorliegen würde.
Neben der nicht nachweisbaren Konnexität fehle es nach Ansicht des Gerichts Heinz-Christian Strache und Siegfried Stieglitz auch an einem (Eventual-)Vorsatz, weshalb auch die innere Tatseite in Bezug auf die Anklagepunkte nicht erfüllt sei. Das Gericht führte hierzu aus, dass weder Heinz-Christian Strache noch Siegfried Stieglitz es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden haben, dass die Vorteilsgewährung/-annahme ausschließlich mit der Intention getätigt wurde, um Siegfried Stieglitz den Aufsichtsratsposten in der ASFINAG zu verschaffen. Mangels stichhaltigem Beweissubstrat sei im Zweifel mit einem Freispruch vorzugehen gewesen. Alleiniger Beweggrund für die Vorteile sei im Zweifel das freundschaftliche Naheverhältnis zwischen Heinz-Christian Strache und Siegfried Stieglitz gewesen.

Die Frage, ob im gegenständlichen Fall tatsächlich ein Amtsgeschäft vorlag, blieb vor diesem Hintergrund offen. Der zuständige Oberstaatsanwalt der WKStA ging in seinem Schlussplädoyer jedenfalls unzweifelhaft davon aus, dass ein Amtsgeschäft von Heinz-Christian Strache vorgelegen sei, weil auch die „Vorbereitung und Koordinierung sowie das Führen und Abgleichen der Personenlisten“ (Einflussnahme) innerhalb und zwischen den damaligen Kabinetten von Strache als Vizekanzler (FPÖ) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als ein solches anzusehen sei. Somit würde eine Regierungstätigkeit vorliegen.

Jedoch wurde gleichsam ausgeführt, dass selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, eine verbotene Intervention nach § 308 StGB vorliegen würde bzw letztlich zumindest die Tatbestände Vorteilsannahme bzw -gewährung zur Beeinflussung („Anfüttern“) erfüllt seien. Nach der Rechtsansicht der WKStA ist somit die bloße Einflussnahme auf die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds in einem staatsnahen Unternehmen (ohne unmittelbare Zuständigkeit für die Bestellung, diese lag schließlich beim Infrastrukturminister) als Amtsgeschäft anzusehen.
Es wird abzuwarten sein, ob die WKStA ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien erhebt und es daher letztlich bei den Freisprüchen bleibt oder in zweiter Instanz entschieden werden wird. Der Oberstaatsanwalt nahm diesbezüglich die Möglichkeit der dreitätigen Bedenkzeit in Anspruch. Das Urteil ist somit noch nicht rechtskräftig.

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