PAULITSCH LAW NEWSBekommt Österreich wirklich das „strengste Antikorruptionsstrafrecht der Welt“?
Seit der Ibiza-Affäre wird die Verschärfung des österreichischen Korruptionsstrafrechts verlangt. Auch der im Jänner 2023 veröffentlichte Bericht der Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO) bestätigte den akuten Handlungsbedarf. Bei dem im Jänner 2023 veröffentlichten Corruption Perception Index von Transparency International rutschte Österreich aus den Top 20 der „sauberen Länder“. Ein andauernder Abwärtstrend der Korruptionswahrnehmung in Österreich.
Am 12.1.2023 wurde der erste Entwurf des Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetzes 2023 präsentiert. Die Verfassungsministerin Karoline Edtstadler betonte, Österreich bekomme das „strengste Anti-Korruptions-Gesetz der Welt“. Der Entwurf hat ein Vorantreiben der effektiven Korruptionsbekämpfung und den Schutz der Bevölkerung, die Abbildung neuer Bedrohungslagen und insbesondere die Schließung von Lücken im Korruptionsstrafrecht zum Ziel. Die zahlreichen Stellungnahmen zum Entwurf befürworten die Änderungen im Wesentlichen. Es wird aber auch deutlich, dass der Entwurf noch einige Mängel aufweist.
Die Bestechung von zukünftigen Amtsträgern soll unter Strafe gestellt und die Legaldefinition „Kandidat für ein Amt“ (§ 74 Abs 1 Z 4d StGB) eingeführt werden. Strafrechtsexperten Robert Kert, Susanne Reindl-Krauskopf und Alexander Tipold halten die Begriffsbestimmung für zu vage und kompliziert. Unklar ist vor allem die Formulierung, ein Kandidat sei jeder, der sich in einem Wahlkampf bzw Bewerbungs- oder Auswahlverfahren zu einer „nicht bloß hypothetisch möglichen Funktion als Amtsträger“ befindet. Dabei leuchtet es grundsätzlich ein, dass völlig aussichtslose Kandidaten von der Strafbarkeit ausgenommen sein sollen. Wo die Grenze zwischen hypothetischer und tatsächlicher Chance ein Amt zu erlangen zu ziehen ist, geht nicht hervor. Gerade im Strafrecht müssen Begriffe eindeutig bestimmt sein. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, soll kein Spielraum für unterschiedliche Auslegungen bestehen.
Auch die im Entwurf geplante Anknüpfung der Strafbarkeit an objektive Bedingungen bei den Bestechungsdelikten (§§ 304, 307 StGB) wird in den Stellungnahmen kritisiert. Ein Fordern, Annehmen oder Sich-versprechen-Lassen durch bzw ein Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils an einen „Kandidaten für ein Amt“ für korrupte Amtsführung soll erst mit tatsächlicher Erlangung des Amts durch diesen strafbar sein. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein solches Verhalten weniger verwerflich sein soll, wenn die Stellung als Amtsträger doch nicht erlangt wird. Schließlich liegt der Unwert der Tat im Inaussichtstellen korrupter Amtsführung. Ein Zurückziehen der Kandidatur würde demnach zur Straffreiheit führen. Das überrascht, da Korruptionshandlungen bislang sogar grundsätzlich unabhängig davon, ob das Amtsgeschäft tatsächlich ausgeführt wird, zu bestrafen sind. Andere Meinungen sehen dies nicht kritisch, sondern lassen diesen Umstand als eine Art tätige Reue gelten. Auch Tipold schlägt vor, die objektive Bedingung bestehen zu lassen, um die Gefahr der Uferlosigkeit zu begrenzen.
Die Einführung der Strafbestimmung des Mandatskaufs (§ 265a StGB) wird allseits befürwortet. Auch hier knüpft die Strafbarkeit allerdings an eine objektive Bedingung, der tatsächlichen Mandatszuteilung an den Bewerber, an; was wie bei den Bestechungsdelikten nichts am Unrecht der Tat ändert und somit ebenfalls auf Kritik stößt. Außerdem wird bemängelt, dass der Mandatskauf nur verboten sein soll, wenn dafür Geld gezahlt wird. Andere Leistungen werden außen vorgelassen.
Weiters setzen sich die Stellungnahmen mit der vorgesehenen Implementierung einer dritten Wertqualifikationsstufe bei EUR 300.000 in fast allen Korruptionsdelikten (§§ 304 bis 307b StGB; weshalb § 308 StGB davon nicht betroffen ist, ergibt sich nicht) auseinander. Die konsequente Bekämpfung von Korruption wird zwar durchwegs begrüßt, jedoch wird die dritte Wertqualifikation als systemwidrig erachtet und dieser kaum präventive Wirkung beigemessen. Auch die damit einhergehende Erhöhung der – mit zehn Jahren ohnehin schon sehr hohen – Strafdrohung bei den Bestechungsdelikten auf eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren erscheint unangemessen und ist daher abzulehnen. Wie empirisch belegt, wirken höhere Strafen nicht abschreckender und gibt es für diese damit geschaffene Sonderstellung keine sachliche Rechtfertigung. Derartige Strafdrohungen sind innerhalb des StGB grundsätzlich den Delikten, die gravierendere Rechtsguteingriffe wie bspw schwere Körperverletzungen oder den Tod zur Folge haben, vorbehalten. Für den OGH ist laut seiner Stellungnahme der praktische Anwendungsbereich für die Wertqualifikation von EUR 300.000 in fast allen Korruptionsdelikten zudem kaum gegeben. Die Einführung einer dritten Wertqualifikation und die Erhöhung der Freiheitsstrafe bei Bestechung bzw Bestechlichkeit auf bis zu 15 Jahre scheint eher ein politisches Statement zu sein.
Abseits der geplanten Änderungen in den Korruptionstatbeständen, ist man sich in den Stellungnahmen hinsichtlich der Anhebung des Maximal-Tagessatzes bei Verbandsgeldbußen im VbVG einig, dass diese längst fällig war. Schließlich besteht diese Deckelung unverändert bereits seit 2006. Nach überwiegender Ansicht wird sogar eine noch höhere Maximalstrafe bzw generell ein Wegfall der Deckelung gefordert. Unseres Erachtens ist zwar eine Erhöhung der Verbandsgeldbuße nachvollziehbar, ein Wegfall der Deckelung aber nicht zu argumentieren.
Bei näherer Betrachtung versucht der Gesetzesentwurf bestehende Lücken zu schließen und ein Verhalten, wie es bei der Ibiza-Affäre zu Tage kam, unter Strafe zu stellen. Das angekündigte „strengste Anti-Korruptions-Gesetz der Welt“ ist letztlich gar nicht so streng. Die „Strenge“ zeigt sich in der momentan angedachten Einführung einer dritten Wertqualifikation und in den teilweise erhöhten Strafdrohungen, nicht aber auf Tatbestandsebene. Der finale Gesetzestext bleibt abzuwarten.
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