PAULITSCH LAW NEWSUPDATE: Neuerungen im Strafverfahren durch das 4. COVID-19 Gesetz

2020-04-10

Auf einen Blick:

  • Der Katalog der unterbrochenen Fristen im Strafverfahren wurde umfassend erweitert, sodass nunmehr die allermeisten Fristen auch in gerichtlichen Strafverfahren unterbrochen sind.
  • Die Fristenunterbrechung gilt nunmehr bis 30.4.2020. Ab 1.5.2020 beginnen die Fristen wieder neu zu laufen.
  • Anderes gilt in Haftsachen, hier beginnen die Fristen bereits am 14.4.2020 neu zu laufen.
  • Haftverhandlungen sollen weiterhin im Wege der Videokonferenz durchgeführt werden, ist das nicht möglich, können sie gänzlich entfallen und es kann ein schriftlicher Beschluss über die Fortsetzung oder Aufhebung der Untersuchungshaft ergehen.

Im Zuge eines umfangreichen Pakets an Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise, das der Nationalrat am vergangenen Freitag beschlossen hat, wurde mit Artikel 32 des 4. COVID-19 Gesetzes (BGBl I Nr 24/2020) vom 4.4.2020 auch das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (BGBl I Nr 16/2020; nunmehr 1. COVID-19-JuBG) entscheidend geändert. Eine entsprechende, auf dieser Gesetzesänderung basierende Verordnung der Justizministerin zur Änderung der Verordnung, mit der zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 besondere Vorkehrungen in Strafsachen getroffen werden (BGBl II Nr 138/2020) erging am 8.4.2020. Diese setzt die Vorgaben im 1. COVID-19-JuBG zur Fristenunterbrechung vollinhaltlich um. Geändert wurde auch das Datum des Außerkrafttretens, die Verordnung gilt nun bis 30.4.2020 (und nicht wie bisher bis 13.4.2020). Neben dem Fristenmoratorium werden auch die Sonderregeln für Haftverhandlungen verlängert.

Die erste gesetzliche Änderung betrifft die Fristenunterbrechung im Strafverfahren (siehe zu diesem Thema unseren Beitrag vom 24.3.2020). Zunächst wurde der Katalog der Bestimmungen, deren Fristen durch Verordnung der Bundesministerin für Justiz unterbrochen werden können in § 9 Z 3 1. COVID-19-JuBG umfassend ausgeweitet. Besonders hervorzuheben sind die Frist zur Erhebung eines Antrags auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens, des Einspruchs gegen die Anklageschrift, sowie des Einspruchs gegen Abwesenheitsurteile und Strafverfügungen im Mandatsverfahren. Zudem kam es zu der Klarstellung, dass auch im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht nur die Frist zur Anmeldung, sondern auch zur Ausführung der Berufung von der Unterbrechung betroffen ist. Ausdrücklich erfasst sind nunmehr auch die Fristen zur Gegenäußerung in Bezug auf die meisten Rechtsmittel. Außerdem wurde eine Generalklausel aufgenommen, welche die Bundesministerin für Justiz ermächtigt, sonstige von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht gesetzte Fristen für unterbrochen zu erklären. Eine derartige Bestimmung bestand bisher nicht. 

Die Möglichkeit zur Unterbrechung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens ist gesetzlich nicht mehr vorgesehen, nachdem von dieser schon bisher kein Gebrauch gemacht wurde. Weiterhin nicht unterbrochen werden kann die Frist zur Wiedereinsetzung gemäß § 364 Abs 1 Z 2 StPO. Wer eine Frist zur Anmeldung, Ausführung oder Erhebung eines Rechtsmittels versäumt, kann beim Vorliegen eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses binnen vierzehn Tagen ab dessen Wegfall einen entsprechenden Antrag stellen, wenn ihn selbst kein grobes Verschulden an der Versäumung trifft. Dem Umstand, dass diese Frist nicht durch Verordnung unterbrochen werden kann, liegt wohl die Überlegung zugrunde, dass die Rechtsmittelfristen weitgehend unterbrochen sind und aus diesem Grund gar nicht versäumt werden können. Dies gilt nicht in Bezug auf Fristen, die vor dem Einsetzen des Moratoriums versäumt wurden. Hier ist zu beachten ist, dass gemäß Abs 6 leg cit eine Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist nicht zulässig ist und damit einer Versäumung der vierzehntägigen Frist auch nicht mit dem Argument entgegengewirkt werden kann, dass die gegenwärtigen COVID-Maßnahmen ein unabwendbares Hindernis darstellen.

Anders als bisher beziehen sich die Fristenunterbrechungen nicht mehr akzessorisch auf den Fortbestand der Betretungsverbote durch die Verordnungen des Gesundheitsministers (BGBl II Nr 96/2020, zuletzt geändert durch BGBl II Nr 130/2020; BGBl II Nr 98/2020, zuletzt geändert durch BGBl II Nr 108/2020), sondern sind wie die Unterbrechungen in Zivilrechtssachen mit festem Datum, dem 30.4.2020, begrenzt. Ab 1.5.2020 beginnen daher auch im Strafverfahren die Fristen neu zu laufen. Dies gilt nicht für Strafverfahren, bei denen sich der Beschuldigte in Haft befindet, hier dürfen keine weiteren Fristenunterbrechungen verordnet werden. Unterbrochene Fristen in Haftsachen beginnen bereits mit 14.4.2020 neu zu laufen (ausgenommen davon sind wiederum die Fristen betreffend die Wiederholung der Hauptverhandlung gem § 276a StPO).

Eine weitere Neuerung betrifft den Entfall von Haftverhandlungen bei der Entscheidung über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft (§ 9 Z 4 1. COVID-19-JuBG, über bisherige rechtliche Änderungen haben wir Sie zuletzt in unserem Beitrag vom 27.3.2020 informiert). Die gesetzliche Verordnungsermächtigung ging hier ursprünglich sehr weit, grundsätzlich wäre sogar ein genereller Entfall sämtlicher Haftprüfungsverhandlungen möglich gewesen. Nunmehr darf dies – iS eines abgestuften Beurteilungsschemas – ausdrücklich nur in Einzelfällen und dann vorgesehen werden, wenn auch eine Verhandlung im Wege einer Videokonferenz nicht möglich ist. Praktisch ändert sich dadurch nichts, weil die Verordnung der Justizministerin (BGBl II Nr 113/2020 idF BGBl II Nr 114/2020) schon bisher die Zulässigkeit eines schriftlichen Beschlusses über die Aufhebung oder Fortsetzung der U-Haft unter Entfall einer Haftverhandlung an diese Voraussetzung knüpfte.

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