PAULITSCH LAW NEWSUrteil im ersten Strafprozess nach der Ibiza-Affäre: Strafbarkeit von Gesetzeskauf

2021-08-27

Am 27.8.2021 wurde ein Gerichtsurteil rund um die Ibiza-Affäre gefällt. Das Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilte Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache wegen Bestechlichkeit zu 15 Monaten bedingter Freiheitsstrafe. Sein „Gegenüber“ in der Spendenaffäre rund um die Aufnahme der Privatklinik Währing in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF), Walter Grubmüller, wurde zu zwölf Monaten bedingter Freiheitsstrafe wegen Bestechung verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Beide Angeklagten, für die die Unschuldsvermutung gilt, meldeten Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe an.

Der Prozess ist nicht nur deshalb interessant, weil Hauptangeklagter ein ehemaliger österreichischer Spitzenpolitiker ist. Der abzuurteilende Sachverhalt wirft auch rechtlich zahlreiche Fragen auf. Die Verurteilung am 27.8.2021 erfolgte laut Medienberichten, weil der Eigentümer der Privatklinik Währing, Walter Grubmüller, Spenden an die FPÖ überwiesen habe. Im Oktober 2016 seien EUR 2.000 geflossen – angeblich um seinen Freund Heinz-Christian Strache zum Tätigwerden zu motivieren. Dieser soll im Gegenzug Einfluss auf Parteikollegen genommen haben, weswegen (möglicherweise) schließlich im Juni 2017 ein (erfolgloser) Initiativantrag zum Thema eingebracht wurde. Im Anschluss daran habe Grubmüller nochmals EUR 10.000 an die FPÖ gespendet. Nachdem Strache als Bundesminister und Vizekanzler angelobt wurde, soll er die Gesetzgebung zum Vorteil der Privatklinik Währing beeinflusst haben. Das Gesetz wurde schließlich 2018 in einer für die Privatklinik günstigen Form beschlossen und diese auch in den Fonds aufgenommen. Ziel war jedoch laut Medienberichten stets, dass die Klinik letztlich medizinische Leistungen direkt mit den Sozialversicherungen abrechnen kann. Das ist nach wie vor nicht der Fall. Die Klinik ist zwar nun Teil des PRIKRAF; der eigentlich wichtige Direktverrechnungsvertrag fehlt jedoch noch.

Das Erstgericht subsumierte das Verhalten unter die Tatbestände der Bestechlichkeit gemäß § 304 StGB (passiv durch den Amtsträger) bzw der Bestechung gemäß § 307 StGB (aktiv durch den Spender). Bestechlichkeit erfordert, dass ein Amtsträger einen Vorteil für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts fordert, annimmt oder sich versprechen lässt. Wesentlich ist, dass eine Verbindung zwischen dem Vorteil und einem konkreten Amtsgeschäft vorliegt. Ist dies nicht der Fall, können andere Delikte einschlägig sein (Vorteilsannahme bzw Vorteilszuwendung zur Beeinflussung gemäß den Bestimmungen gemäß §§ 306, 307b StGB).

Im aktuellen Fall stellt sich die Frage, ob tatsächlich ein (pflichtwidriges) Amtsgeschäft vorlag. Grundsätzlich umfasst ein Amtsgeschäft alle Rechtshandlungen und faktischen Tätigkeiten, die zur konkreten Aufgabenerfüllung des Amtsträgers notwendig sind. Das Einbringen von Gesetzesvorschlägen und das Abstimmen über diese sind Amtstätigkeiten eines Abgeordneten und damit Amtsgeschäfte. Auch die Mitgestaltung von Gesetzen als Bundesminister kann unter den Gesetzesbegriff Amtsgeschäft subsumiert werden.

Hinsichtlich der Einbringung des Initiativantrags lohnt es sich jedoch genauer hinzusehen: Dieser hat grundsätzlich den Charakter eines Gesetzesantrags, dessen Einbringung wohl zweifelsfrei eine Amtstätigkeit ist. Doch hatte der Antrag – nach den Prozessberichten zufolge – von Beginn an keine Erfolgschancen. Im Ergebnis kann dies wohl keinen Unterschied machen. Die Einbringung eines Initiativantrags wird wohl stets als Amtsgeschäft zu werten sein. Es wurde auch berichtet, dass der Einbringung des Initiativantrags eine Prüfung voranging und man dabei Missstände aufgedeckt habe. Nämlich, dass der PRIKRAF nicht allen Privatkliniken zugänglich sei. Dieser Missstand sollte durch den Initiativantrag beseitigt werden. Wenn hier tatsächlich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Privatkliniken erfolgte und der Initiativantrag geboten erschien, könnte allenfalls ein pflichtgemäßes Amtsgeschäft vorliegen. Pflichtwidrig ist ein Handeln insbesondere dann, wenn gegen Vorschriften verstoßen wird, die im Zusammenhang mit dem konkreten Amtsgeschäft zu beachten sind oder auch, wenn parteilich vorgegangen wird. Für die Annahme eines pflichtwidrigen Amtsgeschäfts genügt es jedoch nicht, dass vor dessen Vornahme ein Vorteil geflossen ist. Die Pflichtwidrigkeit ist davon unabhängig zu beurteilen. Ähnliche Fragen stellen sich in Bezug auf die letztlich von der ÖVP-FPÖ-Regierungskoalition beschlossene PRIKRAF-Gesetzesnovelle. Ohne Zweifel wäre aber auch das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils für die Vornahme eines pflichtgemäßen Amtsgeschäfts strafbar (Vorteilsannahme gemäß § 305 StGB und spiegelbildlich die Vorteilszuwendung gemäß § 307a StGB).

Ob das Urteil in dieser Sache noch abgeändert werden wird oder unverändert bleibt, ist abzuwarten.

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